Chronik
1909-1924: „Musikkorps Heiligenzell“
Weist auch die offizielle Gründung der Musikkapelle das Jahr 1909 aus, so existierte jedoch schon vor dieser Zeit immer wieder eine kleine Gruppe gleich gesinnter musikbegeisterter Männer, die zwar ohne professionelle Kenntnisse, aber mit umso mehr Eifer ihrem Steckenpferd nachgingen.
So war es folgerichtig, dass im Jahre 1909 die Bürger: Hermann Stuber (25), Wilhelm Steiert (17), Hermann Steiert (18), Willi Krebs (24), Josef Jox (38), Josef Gambert (24), Karl Burkart (18), sein Bruder Julius Burkart (17) und der erste Dirigent Lorenz Weis (24) den Entschluss fassten, der Musik einen festen Platz im Gemeindeleben von Heiligenzell zu geben und eine Kapelle zu gründen. Große Schwierigkeiten waren aber bei der Beschaffung der Instrumente und des Notenmaterials zu überwinden. Bäckermeister Max Fleig sprang in die Bresche und stellte die benötigte Summe zur Verfügung. Lorenz Weis, der die musikalische Leitung der jungen Kapelle übernommen hatte und der auch als der größte Förderer zu gelten hat, gab Bäckermeister Fleig durch hypothekarische Belastung seiner Grundstücke die erwünschte Sicherheit.
So konnten denn beim Musikhaus Pfettscher in Offenburg die Instrumente beschafft werden und das Heiligenzeller Musikleben seinen Anfang nehmen. Getreu dem Sprichwort „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“ versicherte man die wertvollen Instrumente bei der Schlesischen Feuerversicherung in Mannheim. Schon nach kurzer Zeit schlossen sich mehrere Musiker der Kapelle an und bald war ein Klangkörper geschaffen, der der kleinen Gemeinde sowohl festliche als auch gesellige Stunden umrahmte. Der erste Weltkrieg sorgte für ein jähes Ende des Musik- und Vereinslebens und wieder war es Lorenz Weis, der nach dieser schweren Zeit für das Wiederentstehen der Kapelle Sorge trug.
1924: Gründung des Musikvereins
Bis zum Jahre 1924 wurde der Bestand allein durch den Idealismus der Musiker gesichert. Ohne jede Förderung durch Gönner und Kommune mussten alle musikalischen Investitionen selber finanziert werden. So war es nur zwangsläufig, dass nach 15 Jahren mit der Gründung eines Vereines der Musikkapelle ein solider finanzieller Hintergrund geschaffen wurde.
Der Aufruf zur Mitgliedschaft verhallte nicht ungehört in der Gemeinde. In großer Zahl traten die Heiligenzeller dem jungen Verein bei und bezeugten mit diesem Engagement, in welch hohem Ansehen die Kapelle bereits stand. Aber noch immer reichte diese Unterstützung für die permanente Verstärkung der Kapelle nicht aus; da fand sich in Bürgermeister Josef Feist ein Mann, der die Nöte des Vereins erkannte und ihn fortan mit allen verfügbaren Mitteln der Gemeinde förderte. Ein erster Zuschuss von damals beachtlichen 150 Mark wurde anlässlich der Gründerversammlung zur Anschaffung weiterer Musikinstrumente ausgereicht. In fast allen der folgenden Jahre gab es einen Zuschuss von 50 Mark, 1938 sogar 150 Mark, der in der Gemeinderechnung als Äquivalent für Mitwirkung an Prozessionen und öffentlichen Festlichkeiten ausgewiesen wurde.
Zum ersten Vorsitzenden wurde in der Gründerversammlung Josef Seitz gewählt, Stellvertreter wurde Lorenz Fehrenbach und Jakob Coßmann – ab 1925 Hermann Fleig – kümmerte sich um die Finanzen. Lorenz Weis konnte der Versammlung 9 Nachwuchskräfte vorstellen, von denen Karl Burkart II, Benedikt Eichhorn, Norbert Rothweiler, Hermann Schmidt, Hermann Stuber II und Willi Weis, mit 10 Jahren damals jüngster Musikus, lange Zeit aktiv waren.
Schon bald nach der Gründung des Musikvereins war die Zahl der passiven Mitglieder, die den Verein förderten, erfreulich hoch – was für einen kleinen Ort mit 729 Einwohnern und 4 bereits bestehenden Vereinen (Männergesangverein, Radfahrverein, Krieger- und Sportverein) doch sehr beachtlich war. Später wurde das Heiligenzeller Vereinsleben gar noch um das Trommler- und Pfeiferkorps sowie dem Schützenverein angereichert.
Einen ersten Höhepunkt erreichte die Musikkapelle Heiligenzell am 12. Juni 1938 beim Bezirksmusikfest in der Stadthalle in Lahr. Im Wertungsspiel wurde die 23 Mann starke Kapelle für die Ouvertüre ,,Amazonen“ mit der Tagesbestnote „Mit außerordentlichem Erfolg“ ausgezeichnet. Für den Dirigenten Lorenz Weis und seine Kapelle war dies der wohlverdiente Lohn für jahrelange Zielstrebigkeit.
Rückschläge brachten die Jahre des 2. Weltkrieges und vor allem der Tod von Lorenz Weis, dem geistigen Vater und über die ersten 35 Jahre Dirigent der Kapelle, mit der er sich ein lebendes Denkmal über Generationen hinaus gesetzt hat. Von seinen 6 Söhnen waren 5 in seiner Musikkapelle tätig.
Das Jahr 1946 verzeichnet die Chronik als den erneuten Beginn des Musiklebens. Ab 1947 nahm sich Bassist Norbert Rothweiler der Kapelle und ihrer wenigen Aktiven an.
1948: Versammlung zur Wiedergründung
Das Dorf zählte 696 Einwohner, als am 16. Oktober 1948 im Gasthaus zum „Kaiser“ beim Gastwirt und Vereinsförderer Lorenz Haug die Versammlung zur Wiedergründung abgehalten wurde. 11 Musiker sowie 35 Mitglieder wählten Josef Pabst zum ersten Vorsitzenden, Norbert Rothweiler wurde einstimmig als Dirigent bestätigt. Der Vereinsbeitrag wurde auf DM 4,- festgelegt. Bereits 1949 flossen auch wieder die so notwendigen Zuschüsse der Gemeinde, um deren Bewilligung sich Bürgermeister Feist verdient machte.
1950 trat die Kapelle dem Blasmusikverband bei und 1951, als der Verein, wenn auch mit 2 Jahren Verspätung, sein erstes Jubiläum feierte, standen bereits wieder 20 Aktive und 69 Passive im Mitgliederbuch. Gesundheitliche Gründe zwangen im Spätjahr 1952 Norbert Rothweiler, den Dirigentenstab an Willi Weis weiterzugeben.
1953 ging die musikalische Leitung auf Gerd Pelz über, der in den folgenden 8 Jahren mit Optimismus, Engagement und Einfühlungsvermögen mit der Kapelle ein achtbares musikalisches Niveau erarbeitete.
1960, diesmal nur noch mit einem Jahr Verspätung, konnte ein wieder voll etablierter Musikverein sein zweites Jubiläum – 50 Jahre Musikkapelle – begehen. Verbunden mit den Feierlichkeiten war das Bezirksmusikfest des Verbandes, an dem sich 17 Gastkapellen beteiligten und damit den würdigen Rahmen für das Jubiläum abgaben.
Die Vereinsstatistik wies zu dieser Zeit 28 Aktive und 93 Vereinsmitglieder aus.
Der Dirigentenwechsel und die Vorstandwahl waren festzuhaltende Ereignisse des Jahres 1961. Josef Pabst wurde zum Ehrenvorsitzenden ernannt, Alfred Riether zu seinem Nachfolger gewählt. Die musikalische Leitung ging auf Gerhard Geng über. Seinem großen Fleiß, dem Idealismus und vor allem seiner musikalischen Profession war es zu verdanken, dass sich das Orchester von dem bereits erreichten Standard kontinuierlich qualitativ vorwärts entwickelte zu einem Klangkörper, der in der Lage war, Glanz- und Höhepunkte zu setzen, die ihn weit über die Grenzen des damaligen Landkreises Lahr hinaus bekannt machten. Hervorzuheben sind hierbei die Konzerte zum kanadischen Nationalfeiertag am 1.07.67 in Lahr, beim Musikverein Wutöschingen am 29./30. Juli 1967, die musikalische Programmgestaltung am 18./19. Mai 1968 beim Musikverein in Dangstetten, sowie das zusammen mit dem Seelbacher Orchester am 13. Sept. 1969 veranstaltete Wunschkonzert, dem 2000 Musikfreunde in der Hermann-Himmelsbach-Anlage zu Seelbach beiwohnten. Aber auch in der näheren Region hatte das Orchester viele Verpflichtungen bei den benachbarten und befreundeten Vereinen zu erfüllen. Selbstverständlich brachte sich die Kapelle seinem Heimatort immer wieder zu Gehör: das alljährliche Musikfest und die Konzerte an Ostern und Weihnachten waren feste Einrichtungen geworden. Diese Periode stellte den Vorsitzenden Alfred Riether und die gesamte Vorstandschaft vor große Aufgaben, die wegen der notwendigen Neubeschaffung zahlreicher Musikinstrumente hauptsächlich auf dem finanziellen Sektor lagen. Mit einem weiteren Problem wurden die Verantwortlichen konfrontiert, als Dirigent Gerhard Geng zur Überraschung aller sein Amt zur Verfügung stellte.
Ein neuer, erst 21 Jahre junger Dirigent stellte sich mit Ferenc Geiger aus Offenburg vor. Bei der Jahreshauptversammlung 1970 – der Verein zählte zu diesem Zeitpunkt 204 Mitglieder, die Kapelle selbst war mit 46 Aktiven besetzt- überraschte dieser Dirigent durch sein Talent und seinen Einsatz auf das Angenehmste. Bei dieser Versammlung wurde mit Alfred Kopp auch ein neuer Vorsitzender gewählt.
Von Jahr zu Jahr baute Ferenc Geiger den Klangkörper aus und räumte vor allem der modernen Musik viel Platz ein. Großen Wert legte er vor allem auf die Nachwuchsarbeit, wobei er auch von aktiven Musikern tatkräftig unterstützt wurde. Die gute Arbeit wurde immer wieder anlässlich von Jungbläserwettbewerben nachgewiesen, bei denen viele erste Ränge, davon die meisten mit Auszeichnungen, erspielt werden konnten.
Was Dirigent Ferenc Geiger in diese Kapelle an Qualität und Energie investierte, darf in der Vereinsgeschichte als einmalig bezeichnet werden. Wo immer das Blasorchester Heiligenzell auftrat, waren volle Hallen und Festzelte selbstverständlich. Ein besonderer Glanzpunkt war der ,,Festabend der Blasmusik“ 1972 in der Oberrheinhalle in Offenburg.
Alljährlicher Höhepunkt ist das 1974 mit der Einführung eines Heimatabends ins Leben gerufene, 4-tägige Musikfest in Heiligenzell. Wie weit sich mittlerweile das Betätigungsfeld der Kapelle ausgedehnt hat, beweisen der zweite Auftritt am 22./23. Mai 1971 in Dangstetten, das Konzert im Stadtgarten Karlsruhe 1974, der zweitägige Auftritt 1975 in Nittel an der Mosel oder 1976 die Fahrt nach Oberbayern mit zwei Konzerten in Oberammergau und einem Auftritt im Kloster Ettal. Ebenfalls 1976 war das erste Weihnachtskonzert in der Sporthalle in Friesenheim; auch im kanadischen Rundfunk war die Kapelle in diesem Jahr zu hören. 1978 wurde mit der Verlegung des Konzertes vom Weihnachts- auf das Osterfest ein weiterer fester und heute wohlvertrauter Programmtermin begründet. Am 16. 12. 1978 waren die Klänge der Kapelle live beim Platzkonzert des Südwestfunks im ganzen Sendegebiet zu hören.
Welche Arbeit und persönliche Opfer von den Musikern, dem Dirigenten und der gesamten Vorstandschaft mit Alfred Kopp an der Spitze in dieser Zeit gebracht werden mussten, lässt diese Terminliste nur erahnen. So war es auch verständlich, dass sich 1979 ein Großteil der bisherigen Vorstandschaft aus der aktiven Arbeit zurückzog.
Mit Siegfried Pabst wurde der bisher jüngste Vereinsvorstand gewählt. Ihm und der verjüngten Vorstandschaft gelang es, für eine weitere Belebung des Vereinslebens zu sorgen. Neue Kontakte wurden aufgenommen und das Blasorchester Heiligenzell wurde bei den zahlreiche Auftritten stürmisch gefeiert. So zum Beispiel in Königsheim, wohin man auch in diesem Jahr wieder verpflichtet wurde, oder beim Abendkonzert 1980 in Schramberg. Es folgten nun auch Auftritte im benachbarten Ausland: 1981 in Recherswil in der Schweiz und die unvergessliche Konzertreise nach Enschede in Holland im Oktober 1982. Aber auch die Auftritte beim alljährlichen Musikfest in Heiligenzell selbst und vor allem die Osterkonzerte, die seit 1981 in der Sternenberghalle in Friesenheim immer mehr Zuhörer finden, geben Zeugnis von der guten Arbeit innerhalb des Vereins und vor allem von den Fähigkeiten des Dirigenten Ferenc Geiger.
Im November 1990 war es der Kuhbacher Helmut Dold, der Ferenc Geiger nach 21 Jahren erfolgreicher Tätigkeit ablöste und nahtlos, wenn auch mit einer eigenen Programmrichtung, an die Erfolge seines Vorgängers anknüpfte. Viele Abendkonzerte, Galakonzerte und unzählige Frühschoppenkonzerte brachten dem Orchester weitere neue Musikfreunde. Verschiedene Fernseh- und Radioaufzeichnungen erhöhten den Bekanntheitsgrad.
Der absolute Höhepunkt unter der Leitung von Helmut Dold ist aber sicher der erste Platz beim S4 Blasmusikwettbewerb im Oktober 1993 in Schwäbisch Gmünd, wo starke Konkurrenten das Nachsehen hatten.
Alle diese Erfolge sind natürlich nur möglich durch das Engagement sowohl der Musikerinnen und Musiker, wie auch der früheren Vorstandschaften sowie der vorletzten Vorstandschaft, mit dem ausgeschiedenen Vorsitzenden Frank Ehret.
Besonders stolz kann man in Heiligenzell auf die Jugendarbeit im Verein sein, ein Besuch im Probelokal (zahlreiche Urkunden) macht dies mehr als deutlich. Sicher auch ein Indiz für die gute Vereinsarbeit ist auch die Tatsache, dass zahlreiche, teilweise noch heute aktive Dirigenten aus den Reihen der Heiligenzeller Musiker kommen, so unter anderem Gerold Eichhorn, die Gebrüder Dieter und Ossy Fahrner, Wolfgang Geiger, Wilhelm Müller, Hannes Steinebrunner und die Gebrüder Thomas und Frank Hertweck.
Von Oktober 2004 bis ins Jahr 2011, leitete Kilian Heitzler das Blasorchester Heiligenzell.
Nach zwei kurzen Intermezzi mit zwei Dirigenten, leitete von Juni 2013
bis Oktober 2018 Aurelian Kindilide das Orchester.
Seit Februar 2014, spielen wir als Gesamtorchester. Das Orchester besteht aus Musikerinnen und Musiker des Musikverein Heiligenzell e.V. und des Musikverein Allmannsweier e.V.
Diese Kooperation kam zustande, weil Aurelian Kindilide beide Vereine als Dirigent leitete. Aus dieser „Spielgemeinschaft“ ist eine hervorragende Musikerfreundschaft entstanden, die sich seither bestens bewährt hat.
Seit November 2018 leitet Herr Ulf Schuster, als neuer Mann am Taktstock, unser Gesamtorchester.
Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit ihm.
Bei der Generalversammlung im Oktober 2020 wird ein Novum in der Geschichte des Musikverein Heiligenzell e.V. beschlossen.
Nach dem geplanten Ausscheiden des 1. Vorsitzenden Frank Ehret und des 2. Vorsitzenden Roland Schneider, übernimmt eine junge Vorstandschaft, welche sich nun in Geschäftsbereiche gliedert, die Führung des Vereins.